Schon seit Jahrtausenden entdeckt und entwickelt die Menschheit immer wieder Wirkstoffe, die Schmerzen oder Symptome lindern und Krankheiten heilen. Sie selbst kennen bestimmt eine Reihe chemisch hergestellter Medikamente, wie etwa Acetylsalicylsäure (ASS) bei Kopfschmerzen. Auch das ein oder andere Hausmittel wird Ihnen bekannt sein, beispielsweise Salbei-Tee bei Husten. Neben diesen klassischen Arzneien hat sich seit ein paar Jahrzehnten eine völlig andere Gruppe von Medikamenten etabliert: die biologischen Arzneimittel, auch Biologika oder Biopharmazeutika genannt. Ein klassisches Beispiel ist Insulin, auf das in Deutschland über 1,5 Millionen Diabetiker angewiesen sind. Biologika wirken auf innovative Weise und werden in einem hoch komplexen Verfahren im Labor hergestellt. Der Wirkstoff entsteht dabei – ähnlich wie zum Beispiel ein Grippeimpfstoff – in lebenden Organismen wie tierischen oder pflanzlichen Zellkulturen, Bakterien oder Hefen. Biologika sind große, komplex aufgebaute Eiweiße und haben eine Ähnlichkeit zu körpereigenen Substanzen. Durch ihre spezifische Wirkweise greifen diese oftmals in den Stoffwechsel oder das immunologische Geschehen im Körper ein oder blockieren Entzündungsvorgänge. Auch Biosimilars sind Biologika.
Sobald der Patentschutz eines Medikaments endet, dürfen Nachfolger-Medikamente auf den Markt treten. Bei biologischen Medikamenten spricht man von Biosimilars. Bei chemisch hergestellten Arzneimitteln heißen die Nachfolger Generika. Weil der Herstellungsprozess von Generika nicht so aufwendig ist wie bei Biologika, kann ihr Wirkstoff 1:1 kopiert werden. Da die Struktur von biologischen Wirkstoffen hoch komplex und das Herstellungsverfahren extrem aufwendig ist, lassen sich biologische Medikamente nicht 1:1 kopieren. Biosimilars sind deshalb dem Original nur extrem ähnlich, was bereits der Name verrät („similar“ ist englisch für „ähnlich“). Hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit sind Biosimilars jedoch mit dem Original vergleichbar. Dies muss zudem in einem aufwendigen Zulassungsprozess gezeigt werden.
Ebenso wie bei der Herstellung eines Biologikums sind auch bei der Entwicklung eines Biosimilars viele hundert Einzelschritte, hoch spezialisierte Technik und Experten aus verschiedenen Fachbereichen erforderlich. Zu Beginn untersuchen erfahrene Wissenschaftler das Referenz-Medikament bis ins letzte Detail und fragen dabei: Aus welchen Bausteinen setzt sich das Medikament zusammen? Wie wirkt das Medikament genau? Diese sogenannte biochemische Charakterisierung ist extrem wichtig, um das Medikament exakt nachzubauen. Auf dieser Basis entwickeln die Experten nun maßgeschneiderte Produktionssysteme. Es folgt ein mehrstufiger, sensibler Prozess, in dem das Biosimilar genauso wie das Biologikum in Zellkulturen hergestellt wird. Mit zahlreichen Qualitätstests stellen die Experten dabei die Sicherheit des Medikaments sowie die extreme Ähnlichkeit zum Referenz-Medikament sicher. Welche aufwendigen Studien für die Zulassung eines Biosimilars erforderlich sind, lesen Sie hier.
Biologika und Biosimilars haben die Behandlung vieler, schwerer Erkrankungen revolutioniert. Dazu zählen vor allem chronisch-entzündliche Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis und Morbus Crohn sowie Krebsleiden, etwa Brust- und Darmkrebs. Hier kommen Biologika und Biosimilars meist als Antikörper zum Einsatz, die die Immunantwort des Körpers gegen die Erkrankung modulieren. Bei biologischen Wirkstoffen kann es sich auch um Impf- und Blutgerinnungsstoffe handeln. Als Hormon, wie das Insulin, werden sie zudem standardmäßig bei Diabetes mellitus eingesetzt.
Biologische Arzneimittel bestehen aus Eiweißen, die denen in unserem Körper extrem ähnlich sind. Unser Körper benötigt Eiweiße als Grundbaustoff für Muskeln, Organe, Haut und Haare. Außerdem sind sie zentraler Bestandteil von Hormonen und Enzymen und spielen eine unerlässliche Rolle in unserer Immunabwehr. Biologische Wirkstoffe können körpereigene Eiweiße ersetzen, ergänzen, hemmen oder aktivieren und so gezielt in ein Krankheitsgeschehen eingreifen. Sie können zum Beispiel als Hormone fungieren, die die Bildung roter Blutkörperchen anregen oder die Immunabwehr hemmen. Dank biologischer Medikamente lassen sich heute viele Erkrankungen behandeln, für die es früher keine oder nur wenige Therapiemöglichkeiten gab.
Stellen Sie sich ein Puzzle mit 21 Teilen vor: Es ist buchstäblich ein Kinderspiel, es zusammenzusetzen. Nun denken Sie an ein Puzzle mit 20.000 Teilen, das zudem eine komplizierte, dreidimensionale Form annehmen soll. Schon eine echte Herausforderung, oder? So in etwa können Sie sich den Unterschied zwischen chemisch hergestellten und biologischen Medikamenten vorstellen. Denn während zum Beispiel der chemische Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS) aus 21 Atomen besteht und leicht zu kopieren ist, verfügt ein typischer biologischer Wirkstoff über eine hoch komplizierte Struktur aus mehr als 20.000 Atomen. Dieses Gebilde lässt sich nur sehr ähnlich nachbauen, aber nicht 1:1 kopieren. Winzige Abweichungen sind zudem völlig normal und treten sogar zwischen den einzelnen Produktionschargen eines Biologikums auf. Biosimilars sind ihrem Referenz-Produkt so extrem ähnlich, dass die Abweichungen vergleichbar sind mit den Abweichungen zwischen den einzelnen Biologika-Chargen.
Ja, Biosimilars und das Referenz-Produkt sind hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit absolut vergleichbar. Dies müssen die Hersteller von Biosimilars auch in einem aufwendigen Zulassungsverfahren nachweisen. Das Gütesiegel erteilt nach einem langen Prüfverfahren die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA). Diese unabhängige Behörde schützt die Gesundheit innerhalb der Europäischen Union, überwacht Arzneimittel und legt die Kriterien für Zulassungsverfahren fest.
Sehr, die Zulassung bedeutet einen enormen Aufwand für die Hersteller von Biosimilars. Die Regeln sind dabei für Biosimilars noch viel strenger als für Generika, also die Nachfolge-Präparate chemisch hergestellter Medikamente. Denn anders als Generika müssen Biosimilars zahlreiche Untersuchungen im Labor bestehen und dabei ihre Vergleichbarkeit zum Referenz-Wirkstoff bestätigen sowie in klinischen Studien, die auch an Patienten durchgeführt werden, ebenso gut wie das Referenz-Produkt abschneiden und zwar im direkten Vergleich. Nur wenn sie hinsichtlich Qualität, Sicherheit, Verträglichkeit und Wirksamkeit vergleichbar sind, können sie zugelassen werden. Meist reicht der Beleg in einer Modell-Erkrankung aus und die Daten können mit ausreichender wissenschaftlicher Begründung auf die anderen Anwendungsgebiete übertragen werden.
Mit der ersten Zulassung eines biologischen Medikaments in den frühen achtziger Jahren betrat eine völlig neuartige, innovative Wirkstoffklasse die Bühne. Immer weitere revolutionäre Wirkstoffe folgten. Mittlerweile gehören die Hightech-Medikamente zur Standard-Behandlung vieler Erkrankungen und haben Einzug in zahlreiche medizinische Leitlinien gehalten. In Deutschland sind aktuell 230 Biologika zugelassen. Da nach und nach der Patentschutz der einzelnen Präparate endet, reihen sich immer mehr Biosimilars ein. Seit 2006 erhielten 60 Biosimilars in Europa eine Zulassung. Wie bei jedem Medikament, wird auch die Anwendung von Biosimilars weiterhin von Ärzten und Apothekern überwacht und sie zeigten sich bislang als genauso wirksam und sicher wie die Referenz-Produkte. Zudem haben Biosimilars auch die Kosten für das Gesundheitssystem deutlich vermindert.
Biologische Arzneimittel gelten als wahre Hightech-Medikamente. In ihnen stecken ein enormes Know-how, jahrzehntelange Forschung, hohe Investitionskosten und ein komplexer Herstellungsprozess. Diese Medikamente sind entsprechend teuer und stellen die Krankenkassen vor große Herausforderungen. Bei einem Biosimilar sind die Entwicklungskosten geringer. Sie ermöglichen einen kostengünstigeren Zugang zu hochwirksamen Medikamenten. Konkret bedeutet das, dass viel mehr Patienten mit modernen Arzneimitteln behandelt werden können. Deutlich wird das zum Beispiel im Bereich der seltenen Erkrankungen. Hier sind neue Therapien besonders hochpreisig, da nur wenige Patienten sie benötigen und nur kleine Mengen produziert werden können. Biosimilars können die Kosten senken und so die Versorgung der Patienten sichern.
Das Potenzial biologischer Medikamente ist noch lange nicht ausgeschöpft. Auch in Zukunft werden neue Entwicklungen helfen, schwere Erkrankungen noch besser zu behandeln. Gleichzeitig belasten die Kosten für innovative Therapien das Gesundheitssystem enorm und reizen das Budget des Arztes sehr schnell aus. Verschreiben Mediziner häufiger kostengünstige Biosimilars, lassen sich diese Kosten kontrollieren. So können mehr Patienten – vielleicht auch Sie – von neuen Entwicklungen profitieren.
Einen möglichen Wechsel zu einem Biosimilar wird Ihr Arzt auf jeden Fall mit Ihnen besprechen. Selbstverständlich klärt er Sie dann ausführlich über diese Therapie auf. Haben Sie dabei keine Scheu, all Ihre Fragen zu stellen. Ihr Arzt beantwortet sie gerne, damit Sie mit einem guten Gefühl in Ihre neue Behandlung starten können. Gemeinsam mit Ihrem Arzt entscheiden Sie dann, welche Therapie die passende ist. Für einen Wechsel gibt es übrigens viele verschiedene Gründe. Ein Biosimilar kann zum Beispiel eine für Sie geeignetere Packungsgröße haben oder leichter zu handhaben sein.
Bevor Sie Ihre Therapie wechseln, prüft Ihr Arzt, ob bei Ihnen Allergien oder Unverträglichkeiten vorliegen. Biologische Arzneimittel enthalten in der Regel Hilfsstoffe, die wichtig für die Haltbarkeit und Stabilität des Medikaments sind. Reagieren Sie empfindlich auf bestimmte Stoffe, können diese bei Ihnen möglicherweise eine allergische Reaktion auslösen. Die Hilfsstoffe können sich von Original-Präparat zu Biosimilar unterscheiden. Um sicherzugehen, dass Sie Ihr neues Medikament genauso vertragen wie das vorherige und die Wirkung gleich bleibt, wird Ihr Arzt Ihre Therapie in der ersten Zeit so überwachen wie bei einer Neueinstellung.
Nein, das ist nicht erlaubt. Denn ein Biosimilar erhalten Sie erst nach ärztlicher Beratung und Absprache. Apotheken ist es daher nicht erlaubt, ein Biologikum ohne entsprechendes ärztliches Rezept durch ein Biosimilar zu ersetzen.
Wie bei jedem Medikament können auch bei Biosimilars Nebenwirkungen auftreten. Diese sind vergleichbar mit denen des Referenz-Produktes. Bitte teilen Sie Ihrem Arzt stets alle Auffälligkeiten im Laufe der Therapie mit.
Ihr Arzt wird ausführlich mit Ihnen über die Behandlung sprechen und mögliche Fragen vorab klären. Auch während der Therapie können Sie sich jederzeit mit Fragen an ihn wenden. Wichtig ist, dass Sie Ihre Medikamente in der vereinbarten Dosis und Häufigkeit einnehmen. Setzen Sie Medikamente niemals ohne Rücksprache mit Ihrem Arzt ab. Für Menschen, die an einer chronischen Erkrankung leiden, ist es zudem oft hilfreich, sich mit anderen Betroffenen in einer Selbsthilfegruppe auszutauschen.
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